Vom Ostseebad Kühlungsborn in das Sultanat Oman

Melanie Hunger war vier Jahre lang die Marketing-Leiterin bei der Touristik-Service-Kühlungsborn GmbH und Initiatorin für das STRANDGUT Magazin. 2015 zog es die gebürtige Kühlungsbornerin nochmals in die große weite Welt, genauer gesagt in das Sultanat Oman. Eineinhalb Jahre später fragen wir nach und möchten wissen, wie es unserer einstigen Kollegin geht und welche Erfahrungen Ihr großes Abenteuer mit sich bringen. Herausgekommen ist eine persönliche Lebensgeschichte, die eine Liebe zu zwei Orten zeigt, die sich ferner und doch ähnlicher nicht sein könnten.

Es ist der 6. November 2008 um 6.30 Uhr morgens. Ich stehe an Deck, beobachte das Einlaufen in den Hafen. Die Kulisse zeigt zackenförmige Berge, die sich wie ein offenes Buch der Erdgeschichte durch die 40 Kilometer lange Stadt schlängeln und im Morgenlicht der Sonne ihre Farbe stetig wechseln. An der Pier 80 SUV Fahrzeuge, schön ordentlich in einer Reihe geparkt, davor eine Schar gut gelaunter junger Männer in weißen Gewändern mit einer Art gestickter Kopfbedeckung. Im Hintergrund ein großer weißer Weihrauchbrenner sowie eine Moschee, aus der die Rufe des Imams erklingen. Dazu dieser Geruch, etwas beißend und trotzdem süßlich. Da bin ich also, im Weihrauchland Oman.
Wer hätte gedacht, dass mich damals diese Stimmung so benebelt und mein Leben immer wieder begleitet. Heute, acht Jahre später, schaue ich wieder auf das gewaltige Bergmassiv und den blauen, wolkenlosen Himmel. Dieses Mal nur aus meinem Wohnzimmer.Es ist der erste Tag von Ramadan. Draußen sind es 41 Grad, und das morgens acht Uhr. Unvorstellbar, dass meine Kollegen von heute an 30 Tage lang fasten, von Sonnenaufgang bis Untergang nichts essen oder trinken. Gott sei Dank brauchen sie nur fünf Stunden arbeiten. Ein Privileg, in dessen Genuss auch ich, als nicht fastender Ausländer im Land komme. Und das ist nicht das Einzige. In neun Tagen geht es zurück nach Kühlungsborn. Urlaub in der Heimat. Habe ich fast vier Jahre lang bei der Touristik-Service- Kühlungsborn GmbH den für mich schönsten Ort Deutschlands vermarkten dürfen, schlüpfe ich nun selbst in die Rolle des Urlaubers und freue mich riesig auf die Familie, den Hafen, das VIELMEER, die beste Currywurst, auf die Promenade, den Stadtwald, die Häuser, auf die Kühle des Nordens aber vor allem auf die Menschen, die mich jahrelang begleitet haben. Zuhause zu sein ist pures Glück und Wehmut zugleich. Habe ich doch einen geliebten Job und mein so geliebtes Kühlungsborn für den Zauber des Orients verlassen.
Hat es sich gelohnt? Das weiss ich noch nicht. Aber „Inshallah“, um es Omantypisch zu sagen (so Gott es will), wird es sich lohnen. Wert war es aber allemal, denn was ich in den 1,5 Jahren, die ich nun hier lebe, alles erleben und auch lernen durfte, erfährt man weder auf Urlaubsreisen noch in einem Schulbuch.
Aber was macht den Oman so besonders? Gute Frage, wahrscheinlich das Gleiche, was Kühlungsborn für mich zu etwas Besonderem macht. Das persönliche Gefühl und Wohlbefinden. Denn entgegen vieler Vorurteile gegenüber arabischen Ländern, lebt es sich im Oman sehr gut. Und das auch als junge, blonde Frau. Ich brauche mich nicht zu verschleiern, werde auch von männlichen Kollegen wahr und ernst genommen und schon gar nicht in der Öffentlichkeit bedrängt oder verfolgt. Auch werden für mich keine Kamele geboten. Das Land, etwa so groß wie Deutschland, mit rund 5 Millionen Einwohnern, ist sicher, friedliebend, überaus tolerant und vor allem warmherzig.
Wenn es Menschen auf dieser Erde gibt, die die Gastfreundschaft erfunden haben, waren es mit Sicherheit die Omanis. Zudem ist das Sultanat mit einer so vielfältigen Naturlandschaft gesegnet, wie nur wenige andere Länder auf unserer Erde. Hier treffen 3000 m hohe Berge und Canyons, auf gelb-rote Sanddünen, über tausende Kilometer Küstenlinie auf natürliche Wasserpools in den Wadis, Karibik-weiße einsame Strände auf Delphine und Schildkröten. Ein Paradies für den Tourismus und genau diesen Wirtschaftsfaktor entdeckt man hier zunehmend. Allerdings nicht auf dem Niveau wie man es aus der Türkei, Ägypten oder Dubai vor Augen hat. Alles slowly (langsam), trotzdem erstklassig und vor allem nachhaltig. Also sympathischer Luxus, im Einklang mit Natur und Kultur. … und irgendwie auch ein bisschen wie in Kühlungsborn.
Wer den Glitzer und Glamour der Nachbar- Emirate Dubai oder Abu Dhabi vermutet, ist hier falsch. Traditionsbewusstsein, Menschlichkeit und Bodenständigkeit beschreiben das Land und deren Menschen. Und auch mein neues Leben mitten im Orient. Wenn auch mit ein paar Privilegien, die einem das Leben hier durchaus versüßen.
Was mich immer wieder verwundert ist die Verbundenheit der Omanis zu Deutschland. Kaum einer ist nicht schon mindestens einmal in München oder in „Garmisch“ gewesen oder verspürt zumindest nicht den Wunsch dahin zu reisen. Man verfolgt News aus Deutschland, liebt deutsche Produkte, empfängt am liebsten und meisten deutsche Urlauber und lernt auch gerne die deutsche Sprache.So wie die vielen jungen Studenten am Oman Tourism College, für das ich seit meiner Ankunft in Muscat arbeite. Nicht als Dozentin, sondern als Spezialistin für Marketing & Business Development. Denn Tourismusprojekte gibt es zahlreiche, genauso wie Visionen. Und dafür benötigt man Arbeits- und Fachkräfte, möglichst aus dem eigenen Land. Diese zu begeistern, sollte ja eigentlich kein Problem sein (dachte ich mir) bei der Gastfreundschaft.

EINE FREUNDSCHAFTLICHE VERBINDUNG:DEUTSCHLAND & DAS SULTANAT OMAN

Und schließlich ist das Erdöl endlich und momentan auch nicht mehr viel Wert. Außerdem sind nahezu 50% der Bevölkerung unter 35 Jahre, gegenüber den Gastronomen und Hoteliers in Kühlungsborn ein ganz klarer Vorteil. Denn hier gibt es sie noch, die junge Arbeitskraft. Aber ganz so einfach ist es dann doch nicht, denn mit dem Erdöl und der Weitsicht des hier herrschenden Sultans, HM Sultan Qaboos bin Said Al Said (übrigens auch ein bekennender Deutschland Sympathisant) zog ab 1970 Wohlstand, Bildung, Gesundheit, Infrastruktur, Gleichberechtigung und die Moderne ins Land ein. Und somit auch das Bestreben der jungen Generation nach akademischen Abschlüssen und hochrangigen Jobs. Zudem bestimmen Tradition und Religion immer noch stark das Leben der Menschen hier, was manchmal nicht ganz einfach mit den Nebeneffekten des Tourismus in Einklang zu bringen ist. Aber der Oman ist ein junges Land, dass in 44 Jahren bereits vieles geschaffen hat und auch weiterhin so manche gesellschaftliche Herausforderung und Entwicklung meistern wird. Die Menschen brauchen eben nur noch etwas Zeit, das Herz am rechten Fleck haben sie ja schon. Wann das sein wird? Inshallah? So Gott will.
Was ich an meinem neuen Job und meinem neuen Leben so sehr mag? Der Oman und die gesamte Region ist ein Schmelztiegel der Kulturen. Menschen unterschiedlichster Herkunft leben und arbeiten friedlich miteinander an Projekten, Zielen und Visionen … und manchmal auch um den eigenen Lebenserhalt zu bestreiten. Man teilt Ideen und Kompetenz, Erfahrungen und unterschiedliches Wissen. Man lernt voneinander und viel über sich selbst. Entdeckt fast verlorene Tugenden wie Wertschätzung und Geduld neu. Hier steht der Mensch und die Beziehungen untereinander im Vordergrund. Täglich herzlich lange Begrüßungsfloskeln und immer positive gestimmte Menschen, machen die Arbeitsatmosphäre im Oman aus. Selbst der Blick in die morgendliche Tageszeitung ist schon fast eine neue Erfahrung, weil einfach mal nicht jede Seite mit negativem oder frustrierendem Inhalt besetzt ist. Und trotzdem ist und bleibt die Unbestimmbarkeit von Ereignissen die größte Herausforderung für mein ungeduldiges deutsches Gemüt. Denn ob tatsächlich jemand zum Termin erscheint oder wann genau Zuarbeit geliefert wird, bleibt vorab immer offen. Denn jede Vereinbarung wird mit dem Zusatz ‚Inshallah’ (So Gott will.) geschlossen. In solchen Momenten gelobe ich mir dann doch immer wieder mein ach so geliebtes Kühlungsborn. Komme ich zurück? Ja, ‚inshallah’ mit neuen Erfahrungen, noch mehr Wertschätzung und dem Blick von Außen. Bleibt nur noch die alles entscheidene Frage, wann genau ist Inshallah?

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