vor mehr als 100 Jahren

Jeder der schon einmal in Kühlungsborn war,
hat sie gesehen. Und jeder hat sich mindestens einmal gefragt, warum sie so einsam und unsaniert am Baltic-Platz steht.
Wir wollen der Geschichte der Villa Baltic auf den Grund gehen und sie von Anfang an erzählen.

Im Jahr 1910 ließ der Berliner Rechtsanwalt und Notar Justizrat Wilhelm Hausmann (1856 – 1921) ein Wohnhaus in unmittelbarer Nähe zum Strand von Kühlungsborn für sich und seine Frau Margarete (1863 – 1929) vom renommierten mecklenburgischen Architekten Alfred Krause gestalten. Die „Villa Hausmann“ wurde 1912 fertig gestellt und entspricht in den Details, den verwendeten Materialien und hinsichtlich der technischen Ausstattung dem damals modernsten Stand der Bautechnik. Sie wurde als zweigeschossiger Putzbau mit einem Mansardwalmdach und aufwendiger neobarocker Fassade errichtet. Die seeseitige Hauptfassade hat vier Achsen und einen runden Eckturm. Die Mittelachsen sind vorgezogen und von einem geschwungenen, reich geschmückten Giebel verziert. Die Fassaden sind geschmückt mit Pilastern, Erker und kleinen Balkonen. Zusätzlich besitzt die Villa eine von Säulen getragene und von einer Balustrade bekrönte Wandelhalle mit einer Dachterrasse, die der gesamten Front vorgelagert ist. Das zentrale Treppenhaus ist durch ein Glasdach belichtet und die Freitreppen bestehen aus fein gestocktem rotem deutschen Granit. Zu der kostbaren Innenausstattung zählen unter anderem die Gestaltung mit Marmor und Marmormosaik. Mit dieser Ausstattung zählte die Villa Hausmann damals zu den prächtigsten Häusern in der einstigen Arendseer Dünenstraße.

Da das Ehepaar kinderlos war, vererbte Margarete Hausmann nach ihrem Tod die Villa der Hochschule für die Wissenschaft des Judentums in Berlin. Diese eröffnete dort am 28.06.1931 ein Erholungsheim für jüdische Akademiker, ihre Angehörigen und Witwen. Das Erholungsheim wurde von Frau Sanitätsrat Dr. Herta Marcuse geleitet und hatte 1931 schon 104 Gäste. Eigens für das Erholungsheim wurde die Stiftung „Akademische Gesellschaft Hausmann-Stiftung Arendsee“ gegründet. >>

Die Zeit des Erholungsheims währte nur kurz als das Naziregime an Macht gewann und vom Niederdeutschen Beobachter am 07.07.1935 verkündet wurde: „Arendsee wird judenrein“. Schon Ende des Jahres wurde das Erholungsheim enteignet und gehörte nun der „Goebbels-Stiftung für Bühnenschaffende“. Fortan diente das Anwesen als Erholungsheim für Künstler des Nazi-Reiches. Die „Goebbels-Stiftung für Bühnenschaffende“ brachte das mit rund 1,5 Milliarden Reichsmark zu bewertende Anwesen für 20.000 Reichsmark in ihren Besitz.

Nach Ende des zweiten Weltkrieges wurde die Villa Hausmann zunächst der Jüdischen Landesgemeinde Mecklenburg zugesprochen, die sie 1949 an die UdSSR verkaufte und später dem Gewerkschaftsbund der DDR (FDGB) unter dem Namen „Kurt-Bürger-Erholungsheim“ erneut als Erholungsheim diente.

In den Jahren der DDR wurde durch Entfernung von Details die Außenfassade des Gebäudes vereinfacht. 1969 begann der Bau der Meerwasserschwimmhalle auf dem Grundstück neben der Villa. Die Schwimmhalle war baulich mit der Villa verbunden, die seit dem Jahr 1972 den Namen „Villa Baltic“ trägt. Mit der Schwimmhalle, einem Restaurant und einer Nachtbar gehörte das Anwesen nun zu den Vorzeigeobjekten von Kühlungsborn.

Nach der Wiedervereinigung ging die Villa Baltic im Jahr 1991 an die Jewish Claims Conference über und steht seitdem leer. Die Jewish Claims Conference ist eine Organisation, die gegründet wurde, um jüdische Entschädigungsforderungen gegen Deutschland durchzusetzen.

Nach über einem Jahrzehnt des Leerstandes verkaufte die Jewish Claims Conference 2003 die Villa Baltic nach langen Diskussionen mit der Stadt Kühlungsborn an die Chemnitzer Immobilienfirma Contrac. Im selben Jahr schließt die Meerwasserschwimmhalle nebenan und wird ebenfalls von Contrac gekauft. 2006 stand es nun endlich fest: die Villa Baltic sollte als Hotel umgebaut und mit der Schwimmhalle verbunden werden. Die Politik forderte jedoch, dass die Villa Baltic der Öffentlichkeit zugänglich sein musste. Dem wollte Contrac mit Kunstausstellungen im Foyer des Hotels und mit einem öffentlichen Restaurant entgegenkommen. Schon im Mai 2007 sollte Baubeginn des neuen Hotels sein und als Architekt wurde der Berliner Reiner Maria Lönecke angeheuert. Das Gebäude der Schwimmhalle sollte in dem Maße saniert werden, dass im Erdgeschoss die Schwimmhalle mit verschiedenen Becken bestehen bliebe und das erste Obergeschoss für das Tagungs- und Veranstaltungswesen zur Verfügung stände. Dort sollte es einen Lobbybereich, einen multifunktionalen Tagungsraum und einen Bühnenbereich geben. Im Festsaal hätten hier bis zu 600 Personen Platz. Doch das Projekt scheiterte.

Die Villa Baltic blieb weiter leer und ungenutzt, bis 2009 ein Augenarzt das Anwesen kaufte. Dr. Mathias Wagner hatte die Vision ein Luxushotel mit einem öffentlichen Schwimmbad zu errichten. In der Neben­saison sollte zudem in dem neobarocken
Fünf-Sterne-Haus eine Augenklinik untergebracht sein. Doch auch aus diesen Plänen wurde nichts. >>
Da die Stadt Kühlungsborn gegen den mittlerweile über 20-jährigen Leerstand der Villa Baltic und den weiteren Verfall der Schwimmhalle vorgehen wollte, veranlasste sie 2013 eine europaweite Ausschreibung zum Kauf und der Gestaltung der Villa inklusive der Meerwasserschwimmhalle. Auf diese Ausschreibung bewarb sich nur ein einziger: Der Augenarzt Dr. Mathias Wagner, dem die Villa Baltic sowieso schon gehörte. Ihm wird das Projekt zugeschrieben und Wagner erwirbt im selben Zug noch die Häuser Schloss am Meer und Hansa-Haus, die sich ebenfalls in unmittelbarer Nähe befinden. Im Zuge seines Renovierungsprojektes wollte Wagner einen Teil des Grundstückes des angrenzendes Baltic-Parks dazu erwerben. Dieses Vorhaben stoß bei vielen Kühlungsborner und bei Bürgermeister Rainer Karl auf keine Zustimmung, da Grundstücke in erster Reihe in Kühlungsborn bisher nur von der Stadt gepachtet werden konnten. Es folgten einige Monate des Hin und Her, bei dem sich die Stadt und Wagner in diesem Projekt immer wieder in die Quere kamen. Schlussendlich gab die Stadt im September 2015 bekannt, dass die Ausschreibung für das Projekt des Augenarztes aufgehoben sei. Wagner soll die Mindestanforderungen des Ausschusses in gleich mehreren kritischen Punkten nicht erfüllt haben. Daraufhin verkündete die Stadt am 10. Oktober eine erneute europaweite Ausschreibung für die Schwimmhalle. Im Januar 2016 verkündete Prof. Wagner dann, dass er alle seine Häuser in Kühlungsborn aus privaten Gründen verkaufe. Dazu gehören neben der Villa Baltic auch die Hotels Hansa-Haus und Schloss am Meer. >>
Von den Kühlungsbornern wird jetzt vielerorts gefordert, dass die Stadt die Villa Baltic erwerben sollte, um das Anwesen sinnvoll zu nutzen, wie zum Beispiel für Veranstaltungen. Ende Januar 2016 wird laut, dass es einen potenziellen Käufer für die Villa gäbe, doch ein Termin mit der Stadt wurde kurzfristig abgesagt und es kam kein Kaufvertrag zustande.
Auch nach 25 Jahren des Leerstandes und mehren Besitzerwechseln sowie einigen gescheiterten Projekten ist es immer noch offen was und vor allem wann etwas mit der Villa Baltic geschieht. Fakt ist jedoch,
je weiter die Zeit voranschreitet, desto mehr verfällt das über 100 Jahre alte Gebäude und die Wahrscheinlichkeit, dass es eines Tages ganz abgerissen werden muss, steigt von Tag zu Tag. (noh)

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